Engagement für den Frieden

08.09.2016 - Idsteiner Zeitung

 

Gruppenfoto im Winter
Besuch in Uglitsch: Mitgliedes des Idsteiner Freundeskreises zu Besuch bei ihren russischen Gastgebern. Fotos: FKU

 

 

IDSTEIN - Das 20-jährige Bestehen des Idsteiner Freundeskreises Uglitsch (FKU) wird am Sonntag, 11. September, ab 11 Uhr im Kulturbahnhof gefeiert. Fragen an Hans-Egon Baasch, den FKU-Vorsitzenden.
 
Herr Baasch, zunächst herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum. Wie viele Vereinsmitglieder feiern denn in diesem Jahr mit?
Vielen Dank für den Glückwunsch, der auch unseren 100 Mitgliedern gilt, ohne deren Unterstützung wir in 20 Jahren wenig erreicht hätten. Dazu kommt eine Reihe von Spendern, mit denen wir von der Anschaffung eines Brutkastens für Frühgeburten für die Klinik in Uglitsch bis hin zu Materialien für den Deutschunterricht am College, medizinischen und sozialen Hilfen sowie gegenseitige Besuche unterstützen konnten.
 
Warum wurde der Freundeskreis vor 20 Jahren gegründet?
In Idstein haben bereits in den 1980er Jahren im Rahmen des Kulturaustauschs russische Gruppen gastiert. Das damalige Magistratsmitglied Walter Buschmann hat diese als Geschäftsführer der Hessischen Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zwischen der BRD und der Sowjetunion eingeladen, unser damaliger Bürgermeister Hermann Müller hat diese Aktionen tatkräftig unterstützt. Als der Eiserne Vorhang fiel, gab es eine Gruppe Stadtverordneter, die eine Partnerschaft mit Russland anstrebten. Das Ziel war, Vorbehalte abzubauen und den Wandel in Russland bürgerschaftlich zu unterstützen. Nach gegenseitigen Besuchen wurde im Juli 1995 in Uglitsch der Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Der Freundeskreis wurde dann 1996 auf Anregung von Bürgermeister Müller gegründet, um die Kontakte auf eine breitere Basis zu stellen, die beiderseitigen Beziehungen zu fördern und mit Leben zu erfüllen. Unser Freundeskreis unterstützt persönliches Kennenlernen, den Austausch und soweit möglich soziale, kulturelle und sportliche Initiativen in Uglitsch, stellt dazu Kontakte zwischen Vereinen und Personen und Gruppen her.
 
Ist so ein Verein überhaupt nötig, laufen die Begegnungen nicht auch ohne eine solche Plattform?
Unser Verein bietet eine solide Grundlage für persönliche und dauerhafte Zusammenarbeit. Für die Städtepartnerschaft, die sie gemäß dem geschlossenen Vertrag fördern soll, ist die Stadt zuständig. Ein Verein jedoch ist flexibler. Er kann kurzfristiger handeln, die wichtigen persönlichen Kontakte besser pflegen und damit stabile Verbindungen erhalten.
Gibt es in Uglitsch auch einen Freundeskreis, und tauschen Sie sich mit Ihren Kollegen aus?
In Uglitsch gibt es seit Bestehen unseres Städtepartnerschaftsvereins einen Freundeskreis. Doch erst die derzeitige Vorsitzende Liudmila Lobanova hat vor fünf Jahren den Behördenmarathon auf sich genommen und diesen Club der Freunde Idsteins offiziell staatlich registrieren lassen. Auch vor dieser formalen Anerkennung haben sich interessierte Uglitscher zusammengefunden und sich aktiv für unsere gemeinsamen Unternehmungen und Projekte eingesetzt. Außerdem haben immer einige Personen aus diesem Kreis an den Besuchen in Idstein teilgenommen. Damals und heute klappt der Austausch gut, ohne diese vertrauensvolle Unterstützung vor Ort wären unsere Projekte und Reisen nicht zu realisieren.
 
Welche wichtigen Projekte hat der Freundeskreis angestoßen und umgesetzt?
Zu Anfang ging es um elementare Hilfe, etwa bei der Instandsetzung des Krankenhauses und Verbesserung der medizinischen Versorgung. Aus dem Kreiskrankenhaus und der Anfangsphase der Heliosklinik sowie aus Lagerbeständen der Bundeswehr haben wir roll- und verstellbare Betten, die es dort noch nicht gab, und Materialien auch für Zahnarztbedarf und allgemeine Ausstattung organisiert. Antibiotika und andere Medikamente wurden uns zur Verfügung gestellt, wir konnten bei dringenden Operationen, Prothesen und Therapien finanziell helfen. In jedem Konvoi, die zum Teil mithilfe ortsansässiger Transportunternehmen nach Uglitsch gebracht werden konnten, gab es 300 bis 400 adressierte Pakete für sozial Bedürftige. Die damalige Uglitscher Bürgermeisterin Eleonora Scheremeteva nannte uns einmal die „Außenstelle des Uglitscher Sozialamtes“.
 
..und heutzutage?
Seit 2002 war es möglich, eine zweite Basis zu schaffen: Unter anderem organisieren wir den Austausch zwischen Gymnasien und Kunstschulen und haben die Gewinner der in Uglitsch im College durchgeführten Deutscholympiade eingeladen. Wir unterstützen die Suche Angehöriger der auf dem Friedhof in Uglitsch begrabenen Kriegsgefangenen, haben Veteranen eingeladen und unterstützen wo nötig finanziell. Wir organisieren Kontakte zwischen unseren Sportlern, den jugendlichen Basketballern und Veloclubs, die regelmäßig gemeinsame Fahrten unternehmen. Ärzte und Hebammen haben uns besucht, denen wir Fachkontakte vermitteln konnten, wir haben Praktikums- und Hospitationsplätze für Uglitscher Medizinstudenten und Erzieherinnen organisiert. Nicht zu vergessen die Bürgerreisen nach Russland und für die Uglitscher Besucher in Deutschland. Sie führen immer Menschen zusammen, die in persönlichem Kontakt trotz Sprachproblemen zueinanderfinden und sich besser verstehen lernen.
 
Welche Themen stehen für den Verein für die Zukunft an, was planen Sie?
Frieden erscheint vielen heute als Selbstverständlichkeit zumindest in Europa und der westlichen Welt. Dabei bleibt es weiterhin tägliche Aufgabe, Verständnis für unterschiedliche Lebensformen zu entwickeln, unterschiedliche Interessen kennen und verstehen zu lernen. Ich glaube, da gibt es weiterhin vieles zu tun. Deshalb ist und bleibt es eine wichtige Aufgabe, den Kontakt untereinander zu fördern und zu vermehren. Wer sich kennenlernt, spricht miteinander, auch mit Dolmetscher oder Händen und Füßen, und bekanntlich gilt: Wer miteinander spricht, schießt nicht aufeinander. Es gibt aber zu wenige junge Menschen, die bereit sind, sich längerfristig auch mit organisatorischer und Vereinsarbeit zu beschäftigen.
 
Ist die Partnerschaft in den Köpfen der Uglitscher und Idsteiner denn fest verankert?
Ja, in Uglitsch wahrscheinlich noch stärker als in Idstein. Dort haben sehr viele Menschen die Erfolge unserer Zusammenarbeit direkt erfahren und stärker vor Augen. Hier in Idstein werden die Besuche aus Uglitsch eher nur noch folkloristisch wahrgenommen. Im Übrigen bleibt vieles im Rahmen der Berichte auf Mitgliederversammlungen und unter den Teilnehmern der von uns durchgeführten Reisen.
 
Wo können sich Leser über den Freundeskreis informieren?
Am besten natürlich persönlich, auf unseren öffentlichen Mitgliederversammlungen, an unserem Stand am Weihnachtsmarkt, aber auch im Internet auf www.idstein-uglitsch.de.
 
20 Jahre Freundeskreis Uglitsch in Idstein: Wie fällt Ihr persönliches Fazit dazu aus?
Ich kann sagen: Es hat sich gelohnt, und es sollte sich weiterhin lohnen. Und dafür freuen wir uns über weitere Mitarbeit und Unterstützung. Jeder ist willkommen.
 
Das Interview führte Volker Stavenow.

 
Den Originalbericht finden Sie im Wiesbadener Tagblatt.